„Berlin zur Hauptstadt des nachhaltigen Wirtschaftens machen!“ Auftaktveranstaltung WeitblickWirtschaft

Nachhaltig wirtschaften – aber wie? Antworten fanden Berliner Firmen am 4. Dezember bei der Auftaktveranstaltung von „WeitblickWirtschaft“. Vor rund 60 Gästen präsentierten Olaf Höhn (Florida Eis) und Jörg von Kruse (i+m Naturkosmetik Berlin) hier ihre Lösungen, diskutierten mit Unternehmer:innen und Verbandsvertreter:innen über Chancen und Herausforderungen der Nachhaltigkeitstransformation. Im Anschluss nutzten Berliner Unternehmen die Gelegenheit, Beratungsangebote zu Nachhaltigkeit kennenzulernen. Organisiert wurde die erste Ausgabe von „WeitblickWirtschaft“ durch Der Mittelstand. BVMW e.V. und nawi.berlin, der Navigation für nachhaltiges Wirtschaften in Berlin.

„Sehr viele Unternehmen haben Interesse an nachhaltigem Handeln“, betonte Franziska Lienert vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) in ihrer Eröffnungsrede, „und es gibt in Berlin viele kostenlose Angebote, die sie darin unterstützen.“ Gemeinsam mit Der Mittelstand. BVMW e.V., der seit vielen Jahren einen Expertenkreis Nachhaltigkeit unterhält, wolle nawi.berlin die Wirtschaft tatkräftig darin unterstützen, zukunftsgerechte Innovation voranzutreiben und Nachhaltigkeitsherausforderungen zu meistern. Die neue Veranstaltungsreihe „WeitblickWirtschaft“ sei hierbei einer von vielen Bausteinen, Berlin zur Hauptstadt nachhaltigen Wirtschaftens zu machen.

Sabine Leutenecker, Referatsleiterin in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe in Berlin, würdigte in ihrem Grußwort das zahlreiche Erscheinen und die große Motivation der Berliner Unternehmer:innen, Nachhaltigkeit zu leben.

„Das Thema brennt vielen unter den Nägeln und wir merken auch, dass es nicht allein äußerer Druck ist. Ganz viele Unternehmen sind intrinsisch motiviert. Das Thema müssen wir jetzt anpacken, damit unsere Kinder und Enkel in einer Welt aufwachsen können, die weiter intakt und lebenswert ist.“

Auch Moderator Enrico Eberlein von der Deutschen Bank betonte: „Wir müssen verantwortungsvoll sein, realistisch an den Fakten orientiert, pragmatisch und wir dürfen niemanden zurücklassen.“

Ein weiteres Leuchtturmprojekt in Sachen Nachhaltigkeit: Der Biobranchenpionier i+m Naturkosmetik Berlin. Geschäftsinhaber Jörg von Kruse beschrieb, wie das Unternehmen vor 45 Jahren startete und auf vegane Inhaltsstoffe aus biologischem Anbau und fairer Produktion setzte. Gewinne fließen in soziale und ökologische Projekte, Jörg von Kruse und sein Team wurden mehrfach mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. „Wir spenden mindestens ein Viertel unserer Gewinne, haben in Sambia das erste Frauenhaus des Landes aufgebaut. Für uns macht ein Unternehmen dann Sinn, wenn es überwiegend dem Gemeinwohl dient und ihm an keiner Stelle schadet.“ Das Unternehmen ist zu hundert Prozent eigenfinanziert, wuchs daher langsam. Die Vision: Die nachhaltige Kosmetik der Zukunft aus der Taufe zu heben – Produkte wie einen Lippenpflegestift etwa, der kein Plastik enthält und sparsam in Graspapier verpackt ist. „Wir wollen uns als kleiner Mittelständler für das Thema Nachhaltigkeit einsetzen, Labor und Inspiration sein für andere Unternehmen.“

Auf dem Podium waren sich die beiden Unternehmer und die drei weiteren Diskutantinnen vom BNW, BVMW und Berlin Partner schnell einig: Nachhaltigkeit bietet nicht nur große Chancen für die Wirtschaft, sie wird auch zunehmend alternativlos. „Die Banken und auch die Versicherungen werden danach fragen“, so Dr. Katharina Reuter vom BNW. „Für manche nicht-nachhaltigen Produkte oder Projekte wird man in fünf Jahren gar keinen Kredit mehr bekommen.“ Den Berliner Firmen rate sie daher, sich lieber heute als morgen auf den Weg zu machen.

„Das ist nichts, was sich zurückdrehen lässt. Deswegen sind wir beim BNW auch fest davon überzeugt, dass die erweiterte Pflicht zum Nachhaltigkeits-Reporting eine Chance für die Unternehmen und Betriebe ist, fit in diesem Thema zu werden. Nachhaltigkeit ist eine moderne Businessdisziplin.“

Aktuell seien es häufig noch Unsicherheiten bezüglich der Berichtspflichten und die steigenden Preise für Energie, die Unternehmen zur Beratung führten, so Marie-Theres Husken vom BVMW. Und Dr. Diana Woelki vom Berlin Partner Nachhaltigkeitsservice ergänzte, dass die Pflichten zwar Druck auf das Berichtswesen ausübten, eine ganzheitliche Betrachtung des Themas jedoch an vielen Stellen von den Beschäftigten vorangetrieben würde. „Neben Informationen zu Investitions- und Innovationsprogrammen empfehlen wir daher, die Beteiligung der Mitarbeitenden im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie mit Personalentwicklungsmaßnahmen zu verbinden.“

Dass sich der Fokus auf Nachhaltigkeit indes vielfach auszahlt, erlebt Jörg von Kruse anhand der großen Resonanz für sein Unternehmen: Das Problem des Fachkräftemangels etwa existiere für i+m Naturkosmetik Berlin nicht. „Wir haben sehr viele Bewerbungen, wenn wir eine Stelle ausschreiben, weil so viele Menschen gerne sinnhaft arbeiten. Aber auch sonst sehen wir, dass sich die Investitionen in Nachhaltigkeit am Ende überall positiv amortisiert haben.“ Zentral sei hierbei, dass die Ideen der Mitarbeitenden gehört, auch tatsächlich umgesetzt würden. „Das ist, glaube ich, das A und O, damit auf Dauer die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert bleiben.“

Leider verschaffe nicht-nachhaltiges Wirtschaften bis heute Wettbewerbsvorteile, ärgerte sich Dr. Katharina Reuter – und machte sich für ein Umdenken in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stark. „Wenn CO2 einen wahren Preis hätte, würden nicht-fossil basierte Lösungen und Produkte automatisch günstiger. Der Hebel ‚Preis‘ kommt aber nicht zur Wirkung, wenn er Effekte bei Umwelt und Soziales einfach ausblendet.“ Die Kosten trage die gesamte Gesellschaft. Eindringlich appellierte die Geschäftsführerin des BNW an die Teilnehmenden, sich zusammenzuschließen, für Nachhaltigkeit einzusetzen und für mehr mediale Repräsentation zu sorgen. „Wenn in der Tagesschau ein Gesetzentwurf kommentiert wird, darf nicht weiter nur eine Stimme für die Wirtschaft sprechen. Das muss ergänzt werden um Perspektiven der progressiven Wirtschaft.“

Wie die Nachhaltigkeitstransformation in der Wirtschaft gelingt, erfuhren Gäste im Anschluss beim Netzwerken. Bei Kaffee und Kuchen tauschten sich Unternehmer:innen angeregt mit Berater:innen aus – etwa von der Berliner Regenwasseragentur, von der Berliner Agentur für Elektromobilität und von der Koordinierungsstelle für Energieeffizienz und Klimaschutz im Betrieb. Diese und sieben weitere Einrichtungen bieten in Berlin kostenlose Beratungsangebote für Unternehmen an. Nach Austausch zu Nachhaltigkeit suchte beim ‚Markt der Möglichkeiten‘ auch die beeta.one Geschäftsführerin Katja Richter.

„Bereits in meinem BWL-Studium habe ich gelernt, dass Nachhaltigkeit ökologisches, ökonomisches und soziales Handeln bedeutet, was letztendlich vernünftiges Wirtschaften ausmacht. Ein nicht nachhaltiges Wirtschaften entspricht schlechtem Wirtschaften.“

Sie freue sich, bei der Veranstaltung auf Gleichgesinnte zu treffen. „Es kommt der Punkt, an dem man zur Umsetzung übergehen muss, und dafür benötigen wir die richtigen Werkzeuge. Gemeinsam bilden wir quasi eine Bande und schauen, wie wir Veränderungen herbeiführen und wie wir als nachhaltige Unternehmen mehr Gehör finden können.“

Besucher Jörg Reckhenrich möchte mit seinem Unternehmen PParts Führungskräfte motivieren, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen. „Es braucht Führung, um Nachhaltigkeit nicht nur als Prozess, sondern als Haltung umzusetzen.“ Geschäftsinhaber wie Olaf Höhn und Jörg von Kruse wirkten hier als Leuchttürme, die andere inspirieren könnten. Auch Frank Jacobs von der Druckerei Laserline, die seit 2007 für Energiesparmaßnahmen und Nachhaltigkeit zertifiziert ist, betonte die Motivationskraft guter Nachhaltigkeitsbeispiele in der Wirtschaft. „Mich hat an dieser Veranstaltung heute interessiert, wie KMUs das Thema spielen.“ Nun gelte es, noch mehr Unternehmen für das Thema Nachhaltigkeit zu motivieren und mit den zahlreichen Angeboten dazu bekannt zu machen – im Rahmen der Reihe „WeitblickWirtschaft“ und darüber hinaus. „Ich glaube, für die Unternehmen ist die Veranstaltung eine sehr gute Möglichkeit, eine Beratung in Anspruch zu nehmen.“

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