Deutschlands größtes Hotel wird nachhaltig

Irgendeine Krise ist immer. Entscheidend ist, was man draus macht. Als im Corona-Lockdown alles stillstand, fragte sich PR-Managerin Mihaela Djuranovic: Ist das, was ich tue, eigentlich sinnvoll? Sie bildete sich zur zertifizierten Nachhaltigkeitsmanagerin weiter. Kurz darauf brach die Energiekrise über ihr Unternehmen, das Hotel Estrel herein. Die Kosten schossen durch die Decke. Und Nachhaltigkeit war der beste Weg nach vorn.

Das Estrel Berlin ist groß. Riesig: 500 Angestellte, 1.125 Suiten und Zimmer, rund 1.800 Events im Jahr – Europas größtes Hotel-, Kongress- und Entertainment-Center. Soziales Engagement hat in dem Familienunternehmen Tradition, dafür wurde Gründer Ekkehard Streletzki sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Natur- und Klimaschutz hingegen fanden lange nur punktuell statt. Aber angesichts neuer Gesetze und Kund:innenerwartungen entschied das Estrel, sich ganzheitlich nachhaltiger auszurichten. Dann brach Anfang 2022 der Ukraine-Krieg aus. Die Preise für Strom und Gas stiegen, die Kostenvorhersagen für das Estrel schossen durch die Decke. Plötzlich war Energiesparen keine nette Nachhaltigkeitsmaßnahme mehr. Sondern überlebenswichtig.

Anpacken …

Traditionell wäre es so gelaufen: Geschäftsführung und Managementteam erstellen ein Konzept, die Abteilungsleitungen geben Anweisungen nach unten weiter. Die frisch ernannte Nachhaltigkeitsmanagerin Mihaela Djuranovic wollte es anders machen. Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen einbeziehen, ihren Wissensschatz heben und gemeinsam Lösungen entwickeln. Freiwillige fanden sich genug. Im Energie-Team entwickelten sie Messmethoden, Checklisten und Maßnahmen für jede Abteilung. Die Motivation der Teammitglieder ist hoch, die Wirkung enorm. „Anpacker-Mentalität“, nennt Mihaela Djuranovic das.

Mihaela Djuranovic

… aber bitte mit Struktur

Doch manchmal muss sie sich und ihr Team auch bremsen. Denn damit die nachhaltige Transformation gelingt, braucht es Struktur. Ihr erster Schritt als Nachhaltigkeitsmanagerin war deshalb, mithilfe verschiedener Tools den Status quo zu erfassen: Wie viel Energie verbrauchen wir? Wie viele Lebensmittel-Abfälle entstehen? Und wie viel klimaschädliche Emissionen verursacht das alles? Aus den Ergebnissen konnte sie ableiten, wie das Estrel besonders effektiv nachhaltiger werden kann: Indem es die größten negativen Auswirkungen reduziert und seinen direkten positiven Einfluss ausbaut.

Stellschraube 1: Ressourcenverbrauch

Der Verbrauch von Strom, Wärme und Lebensmitteln ist die größte ökologische Stellschraube für das Estrel. Anfangs sorgten sich einige, dass nachhaltige Optionen zu teuer sein könnten. Doch die Investitionen zahlen sich aus. LEDs etwa kosten zwar mehr, verbrauchen aber weniger Strom und halten länger. Langsamer geht es bei der Umstellung von Erdgas auf klimafreundliche Fernwärme voran. Lang laufende Verträge und die technischen Rahmenbedingungen verlangen allen Beteiligten einiges an Geduld ab. Und bei der Lebensmittel-Lieferkette steht das Estrel gerade wegen seiner Größe vor besonderen Herausforderungen: Kaum ein regionaler Bio-Betrieb kann die Mengen, die das Hotel benötigt, zuverlässig liefern.

Stellschraube 2: Verantwortung als Arbeitgeber

Sozial hat das Estrel es sich zum Ziel gesetzt, zu einem Top-Arbeitgeber für seine Mitarbeitenden zu werden. Diversität wird hier großgeschrieben: Menschen aus 54 Ländern arbeiten im Estrel, auch acht mit Behinderung. Erst befürchtete Mihaela Djuranovic, dass einige Nachhaltigkeit ablehnen oder Angst vor den Veränderungen haben könnten. Aber das Gegenteil war der Fall.

„Es schlummert viel in den Leuten. Sie wollen etwas bewirken.“

Dafür sind transparente Kommunikation und Bildung entscheidend. Ein Team aus Geschäftsführung und Abteilungsleitungen ergänzte Vision und Mission des Unternehmens um Nachhaltigkeitsaspekte, damit allen klar ist, worauf sie hinarbeiten. Außerdem entwickelte Mihaela Djuranovic eine Nachhaltigkeitsschulung. Denn nur, wer die Hintergründe versteht, kann Maßnahmen motiviert und kompetent umsetzen – und eigene Ideen einbringen.

„Es gibt eigentlich nur diesen einen Weg“

Am Ende ist das Estrel aus der Krise stärker hervorgegangen. Nachhaltiger. Seit kurzem ist das Hotel offiziell von Sustainable Tourism und Sustainable Meetings Berlin als High Performer zertifiziert. Und auch für die Zukunft hat Mihaela Djuranovic noch viel vor: Bildung, Lieferkette, Lebensmittelverschwendung, Abfallmanagement – nur einige der Themen, die sie nächstes Jahr strukturiert angehen will. So soll das Estrel zu einem nachhaltigen Leuchtturm in der Branche werden.

Und dann ist da noch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. „Klar, Dokumentation und Transparenz sind wichtig. Aber noch wichtiger sind uns konkrete Projekte, um Nachhaltigkeit voranzutreiben“, sagt Mihaela Djuranovic. Da ist sie wieder, die Anpacker-Mentalität.

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