„Die Lösungen liegen auf dem Tisch.“ Wie ein kleiner Industriebetrieb die Zukunft probt

„Das funktioniert doch nicht!“ Diesen Satz hörte Katrin Lechler oft. Auch, als die studierte Kulturwissenschaftlerin vor fünf Jahren dem Kunststofftechniker eines renommierten Instituts vorschlug, auf Biopolymere statt auf erdölbasierte Kunststoffe zu setzen. Also auf Materialien, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, im Idealfall aus Abfallprodukten wie Kaffeesatz. Der Experte winkte ab. Heute ist Katrin Lechlers Unternehmen Stanova Stanztechnik Teil eines Innovationsnetzwerks, das das Thema im großen Stil vorantreibt – und vom Wirtschaftsministerium gefördert wird.

Ein nachhaltiges Unternehmen, was ist das überhaupt? Katrin Lechler definiert es so:

„Ein Organismus, in dem die Mitarbeitenden sich einbringen und voll entfalten können, um gemeinsam ein Produkt oder eine Dienstleistung zu erschaffen, die dem Wohl aller dient.“

Mit ihrem eigenen Unternehmen, Stanova Stanztechnik, hat sie sich schon mal auf den Weg dorthin gemacht.

Ein Produkt mit Sinn

Als Kind der 80er engagierte sich Katrin Lechler schon früh für den Umweltschutz. 2015 gründete sie mit ihrem Vater zusammen Stanova – und ihr ging auf, dass sie mit dem Start-up einen großen Hebel nicht nur für ökologische, sondern auch für soziale Nachhaltigkeit in Händen hielt. Zentral dafür: ein durchdachtes, sinnvolles Produkt.

Stanztechnik braucht es für vieles, ob EC-Karten, Batteriegehäuse oder Treppenkanten, ob aus Kunststoff, Biopolymer oder Metall. Stanova entwickelt und baut die Maschinen dafür. Aber anders als bei den Mitbewerber:innen kommen bei Stanova elektromechanische Antriebe zum Einsatz, inklusive Energierückspeisung in die Anlagen. Damit sind ihre Maschinen bis zu achtmal effizienter und verbrauchen deutlich weniger Strom. Das ist wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll.

Am liebsten würde Katrin Lechler schon heute mit fossilfreiem Stahl und komplett nachhaltigen Lieferanten arbeiten. Aber so weit ist der Rest der Wirtschaft noch nicht.

Ein Team – trotz unterschiedlicher Meinungen

Allerdings: Ihr Team auch über das Kernprodukt hinaus für Nachhaltigkeit zu begeistern, das stellt Katrin Lechler immer wieder vor Herausforderungen. Als Frau in einer Männerbranche, als Geisteswissenschaftlerin unter Technikern. Manchmal überzeugen wirtschaftliche Argumente: Büromöbel und IT-Geräte secondhand zu kaufen, ist einfach günstiger. Manchmal braucht es pragmatische Lösungen. Etwa die Möglichkeit, für einen Serviceeinsatz Werkzeugkoffer und Ersatzteile mit dem Zug zu verschicken. Und manchmal helfen spürbare Verbesserungen. Wie die Blühwiese vor der Tür.

„Noch bevor der Gärtner den letzten Spatenstich gesetzt hatte, kamen Hummeln und Schmetterlinge angeflattert.“

Ein Weg schlängelt sich zwischen Lavendel und Wildrosen hindurch, eine Bank lädt zum Verweilen ein, und alles summt. Der perfekte Ort für die Mittagspause.

Inzwischen hat die Reise in Richtung Nachhaltigkeit das Team zusammengeschweißt. Die Angestellten fühlen sich auf neue Weise gesehen und wertgeschätzt, erleben ihre Arbeit als sinnvoll. Fachkräftemangel? Für Stanova ein Fremdwort.

Ziel: eine Wirtschaft, die dem Wohl aller dient

Damit sich das Team noch stärker mit Nachhaltigkeit im Unternehmen identifiziert, ist Stanova seit diesem Jahr Mitglied der Gemeinwohl-Ökonomie. Die möchte die Wirtschaft statt auf die Profitmaximierung Einzelner auf das Wohl aller ausrichten. Aber der Bilanzierungsprozess ist zeitaufwändig und mit vielen Diskussionen verbunden.

„In unserer Peer-Gruppe sind wir das einzige Industrieunternehmen. Da schneiden wir oft schlecht ab“,

gibt Katrin Lechler offen zu. Ein Beispiel: Stanova verwendet Schmiermittel, die gefährliche Stoffe enthalten können. Sie sind aber notwendig und lassen sich nicht von heute auf morgen ersetzen. Sonst können die Maschinen Schaden nehmen. Manche Veränderungen brauchen eben Zeit.

Nachhaltigkeit – eine Generationenaufgabe

„Am Anfang dachte ich: Die Lösungen liegen doch auf dem Tisch, setzen wir sie doch einfach um, aber echte Nachhaltigkeit, das ist eine Generationenaufgabe.“,

erzählt Katrin Lechler. Wer Menschen von neuen Ideen und innovativen Produkten überzeugen will, braucht einen langen Atem. Deshalb zeigt Katrin Lechler Gesicht, setzt sich auch in der Industrie- und Handelskammer Berlin und in der Öffentlichkeit für eine andere Wirtschaft ein.

Dass sie mit ihrer fünf Jahre alten Idee für Biopolymere jetzt Teil des Innovationsnetzwerks Poly4Nature ist, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima gefördert wird, macht Katrin Lechler stolz.

„Wir wollen dort zeigen, dass mit unserer Technik auch Biopolymere gut bearbeitet werden können.“

Für die Zukunft wünscht sie sich, dass die Politik per Gesetz für mehr Nachhaltigkeit sorgt. Dann wird das sicher was mit dem fossilfreien Stahl.

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