Nachhaltige Stadtlogistik für saubere Kleidung
Torsten Matusch ist Eigentümer und Geschäftsführer von Cleanteam, einem etablierten Reinigungsdienst für Privat- und Geschäftskunden mit hauseigenem Lieferservice. Ihren Kund:innen bieten Matusch und sein Cleanteam neben diesem Tagesgeschäft auch maßgeschneiderte Lösungen für Gewerbetextilien und Bühnengarderoben. Seinen Reinigungsservice betrachtet Matusch aufgrund seines Geschäftsmodells als Beitrag zu zirkulärem Wirtschaften, ganz nach dem Motto: Aus alt mach so gut wie neu.
„Beim Blick auf die Umweltbilanz einer Textilreinigung ist erkennbar, dass es umweltschonender ist, die eigene Wäsche zur Wäscherei zu geben, als sie in der heimischen Waschmaschine zu waschen“, erklärt Matusch.
„Die professionellen Wäschereigeräte dosieren Wassermenge und Waschmittel verlässlich und effizient, während in privaten Haushalten Waschmittel häufig überdosiert werden.“
Durch die Verwendung von ökologisch verträglichen Reinigungsmitteln und innovativer, energieeffizienter Technologie will das Cleanteam zudem einen möglichst geringen Fußabdruck hinterlassen. So legt das Unternehmen nicht nur Wert auf höchstmögliche Kundenzufriedenheit – auch die Nachhaltigkeit rückt immer stärker in den Fokus.
Torsten Matusch, Eigentümer und Geschäftsführer von Cleanteam
Logistik für die Zukunft
Bei einer Betrachtung der anfallenden Emissionen fiel der Blick des Unternehmens auf die Logistik: Die kleine Flotte, die Wäsche bei Kund:innen einsammelt und gereinigt und gebügelt wieder abgibt, bestand aus Diesel-Fahrzeugen. Für Umwelt und Stadtbewohner:innen bedeuteten diese Feinstaubbelastung und CO2-Ausstoß. Sein Flottenkonzept stellte Matusch noch vor zusätzliche Herausforderungen: Die LKWs der Wäscherei standen oft im Stau und erschwerten eine verlässlich pünktliche Lieferung.
„Ich habe außerdem viel darüber nachgedacht, wie lange unsere Diesel-Flotte überhaupt noch die Berliner Innenstadt passieren darf“, erinnert sich Matusch. „Alles in allem lag es für uns sehr nahe, eine nachhaltigere und verlässlichere Alternative zu finden.“
Der Wunsch nach einer neuen Lösung für seine Wäscherei-Logistik brachte Matusch schließlich auf die Idee, auf Lastenfahrräder umzustellen.
Über den Tellerrand schauen
Ihren ersten Kontakt hatten Torsten Matusch und Daniel Quiter auf einem von Kiezbote selbst veranstalteten Workshop, zu dem Gewerbetreibende eingeladen waren. Ziel des Workshops: gemeinsame Ideen zu entwickeln, wie die ursprünglich für Privatpersonen geplanten nachhaltige Logistiklösungen von Kiezbote auch von KMU genutzt werden könnten.
Für Daniel Quiter, Mitgründer von Kiezbote, bedeutet Nachhaltigkeit nicht nur möglichst wenig CO2-Emissionen auszustoßen. „Mit unserer Dienstleistung möchten wir zu einem lebenswerteren Stadtbild beitragen, Nachbarschaftsökonomien stärken und so die Arbeits- und Lebenswelt der Menschen positiv verändern“, so Quiter. Gestartet ist Kiezbote als Ausgründung des Forschungsprojekts Kundenorientierte Paketzustellung durch den Kiezboten (KOPKIB) der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. Was in der Theorie vielversprechend aussah, klappt auch in der Praxis: Mit Lastenrädern und E-Fahrzeugen bietet das junge Start-up heute einen nachhaltigen Lieferservice, um in städtischen Gebieten Waren schnell und nachhaltig zu transportieren.
Nach ihrem Treffen ging alles recht schnell. Matusch und Quiter diskutierten die konkreten Anforderungen und Besonderheiten der Cleanteam-Logistik und verständigten sich nach und nach auf Prozesse, Testgebiete und Lastenrad-Modelle. „Zu Beginn gab es erheblichen Abstimmungsbedarf“, erinnert sich Quiter.
„Wir mussten viele unterschiedliche Ideen auf ihre Umsetzbarkeit prüfen und teilweise sehr spezifische Fragen klären. Dabei brauchten wir vor allem Offenheit und eine ordentliche Portion Pragmatismus.“
Daniel Quiter, Mitgründer von Kiezbote
Kooperation auf Augenhöhe
Die erste Herausforderung: Mit welchem Lastenrad lässt sich Wäsche überhaupt knitterfrei transportieren und welche Ausstattung muss es dafür haben? Das Ergebnis: Eine Aufhängung brauchte es. Doch dazu gab es keine Prototypen und die Unternehmen starteten in die Teamarbeit. Während das Cleanteam auf seine Lieferant:innen für die Kleiderstange zu ging und schließlich eine Spezialanfertigung zur Anbringung in einen Lastenrad bestellen konnte, kümmerten sich die Kiezboten um ein passendes Fahrzeug, in das der Aufbau integriert werden konnte.
Miteinander lernen
Matusch betont, wie entscheidend es ist, eine Business-to-Business (B2B)-Partnerschaft auf offene Kommunikation aufzubauen, um Vertrauen zu einander zu fassen.
„Wenn man die eigenen Prozesse ausgelagert, ist es wichtig, sicherzugehen, dass der:die Partner:in den gleichen Qualitätsstandard anlegt, wie man selbst und die eigenen Ansprüche an die Dienstleistung in guten Händen sind“,
so Matusch. Beim jungen Unternehmen Kiezbote hatte Matusch anfangs Bedenken, dass es für die zu Beginn oft wechselnden Fahrer:innen schwierig sein könnte, fachgerecht mit der Ware umzugehen. Durch die Offenheit von Quiter und seinem Team für Matuschs Sorgen konnten die Betriebe eine schnelle Lösung finden. Die Lieferant:innen bekamen fortan eine Kurzschulung zum fachgerechten Umgang mit der sauberen Wäsche, damit diese knitterfrei bei den Kund:innen ankommt. Zudem verständigten sich Matusch und Quiter auf ein Priorisierungssystem, damit auch zeitkritische Wäschelieferungen pünktlich die zufriedenen Cleanteam-Kund:innen erreichen.
Doch auch Hindernisse, für die es trotz beiderseitigem Bemühen keine optimale Lösung gibt, gehören zu einer Zusammenarbeit. „Um doppelte Arbeit und Fehler zu vermeiden, sollte man schauen, ob die eigenen IT-Systeme mit denen des Partnerunternehmens verbunden werden können. Wir hatten uns gewünscht, unser Warenwirtschaftssystem, also die Erfassung der Wareneingangsprüfung, mit dem von Kiezbote zu koppeln”, erklärt Matusch. Ein Wunsch, der sich als nicht umsetzbar erwies; zu teuer wäre die Umsetzung geworden. Aber auch diese Erfahrung war für Quiter wertvoll: „Zu Beginn mussten wir, ganz im Sinne des Lean-Start-up-Ansatzes, erst die grundlegenden Funktionen und Prozesse aufbauen. Es ging darum, mit einer schlanken Lösung zu starten, um schnell ins Handeln zu kommen. In der Weiterentwicklung unseres Produkts ermöglichen wir nun auch die Anbindung über eine Programmierschnittstelle (API), um unseren Kund:innen eine nahtlose Integration der Systeme zu bieten.“
Unternehmen zu Unternehmen – eine nachhaltige Partnerschaft
Eines ist sicher: B2B-Partnerschaften bieten beiden Seiten Raum für Wachstum. „Es ist großartig, wie viel ein junges Unternehmen lernen kann. Langjährig am Markt etablierte Unternehmen kennen ihre Branche sehr gut und helfen einem nicht nur im Bereich Unternehmertum, die eigenen Kenntnisse zu erweitern“, resümiert Quiter. Das gewonnene Wissen wird er zur Erweiterung der eigenen Unternehmensdienstleistung nutzen.
Die Zusammenarbeit zwischen KMU und Start-up beweist, dass nachhaltige Logistik – für viele Unternehmen eines der Kernthemen im Hinblick auf nachhaltigeres Wirtschaften – in etablierten Unternehmen umsetzbar ist. Während Cleanteam sich endlich über umweltfreundliche und verlässliche Logistikprozesse freuen kann, hat sich Kiezbote ein neues Geschäftsfeld erschlossen und blickt auch zukünftigen Partnerschaften selbstbewusst entgegen.
Tipps für Unternehmen:
- Das Beispiel der Zusammenarbeit von Cleanteam und Kiezbote zeigt, wie essenziell funktionierende Abstimmungsprozesse sind. Dennoch können Absprachen im Vorfeld niemals alle Eventualitäten abdecken. Daher empfiehlt Quiter anderen Unternehmer:innen schneller in die Praxis einer B2B-Partnerschaft zu wechseln und auf dem Weg gemeinsame Erfahrungen zu sammeln. Durch regelmäßiges Feedback können funktionierende Prozesse etabliert und Risiken vermindert werden, auch ohne zu Beginn bereits jedes Detail zu planen und dabei auf Prognosen und Annahmen zurückgreifen zu müssen.
- Matusch empfiehlt Unternehmer:innen, einen transparenten, langfristigen Vertrag zu vereinbaren, um das gegenseitige Vertrauen in die Zusammenarbeit zu stärken und Preisschwankungen nach der Anfangsphase zu vermeiden.
- Für etablierte Unternehmen ist jedoch nicht nur eine vertragliche Absicherung entscheidend. „Die Risikoaversion von etablierten Unternehmen, insbesondere was die Zusammenarbeit mit jungen Unternehmen betrifft, ist oftmals stark ausgeprägt“, erzählt Quiter aus seinen Erfragungen. „Kiezbote muss seinen B2B-Partner:innen die Angst nehmen, das junge Unternehmen könne langfristig nicht am Markt bestehen oder gewünschte Aufträge könnten mittels Lastenrädern nicht bedient werden.“ Kiezbote hat daher für Neukund:innen ein Onboarding-Prozess erarbeitet, der die anfänglichen Bedenken vor Lastenrädern und der Umstellung auf nachhaltige Logistikprozesse abbaut. So wird sichergestellt, dass die Anforderungen in der gewünschten Qualität erfüllt werden können und der Übergang reibungslos verläuft.
- Auch Matusch hatte anfangs Zweifel. „Niemand hat die Garantie, dass der:die neue Partner:in im darauffolgenden Jahr noch existiert“, so Matusch. Daher möchte er Unternehmen, die neue B2B-Partnerschaften eingehen, dazu raten, nicht alle Prozesse innerhalb der Lieferkette von heute auf morgen radikal umzustellen. „Vereinbaren Sie zunächst eine Testphase. Wenn die neuen Prozesse dann funktionieren, können Sie die Zusammenarbeit getrost ausweiten.“