Neues Leben für alte Matratzen
Matratzen made in Germany – das ist das Konzept von Bett1. 34 Mitarbeitende beschäftigt die Berliner Firma, die mit einem klaren Auftrag antrat: In Deutschland zu produzieren und dabei den Kauf von Matratzen günstiger zu machen. „Der Matratzenkern unserer Bodyguardmatratze wird zu 100 % in Deutschland hergestellt und besteht aus Polyurethanschaum, einem langlebigen und hochelastischem Schaumstoff “, erklärt Unternehmenssprecher Sebastian Nakoinz. „Als kleines Unternehmen ist es ja wirtschaftlich essenziell, dass man nicht von Retouren überschwemmt wird. So kamen wir darauf, unsere Matratze mit zwei Liegeseiten unterschiedlicher Härtegrade zu entwickeln.“
Den Versand der platzsparend eingerollten Matratzen erledigt Bett1 per Post. Das spart große Verpackungen, Speditionsfahrten und somit Kosten und CO2-Emissionen. Das bestätigte auch eine CO2-Bilanzierung, die das Unternehmen von Forschenden der Technischen Universität Berlin durchführen ließ. Seine Kindermatratzen vakuumiert Bett1 seit Neustem nicht mehr in Plastikfolie ein, sondern in Papier. Auch andere Modelle sollen künftig in Papier oder Bioplastik verpackt werden. Dadurch, dass die Matratzen von Bett1 aus einem einzigen Material bestehen, sind sie zudem leichter zu recyceln als andere Produkte – wenigstens theoretisch. Denn bislang werden abgenutzte Matratzen in Deutschland noch überwiegend verbrannt.
Immer neue Herausforderungen: Rohstofflieferant:innen schließen ihre Werke
Fast zehn Jahre lang lief das Geschäft prächtig. Dann aber erreichte das Unternehmen eine schlechte Nachricht: Deutsche Rohstoffproduzent:innen schließen ihre Werke. „Wir haben bei ihnen alle unsere Rohstoffe bestellt und auch alles hier in Deutschland schäumen lassen. Das Problem ist, dass immer weniger Abnehmer:innen bereit sind, die Rohstoffpreise deutscher Hersteller:innen zu bezahlen.“ Um lange Transportwege zu vermeiden und auch künftig möglichst nicht von Importen abhängig zu sein, stellt sich das Bett1-Team nun neu auf: Es plant eine eigene Recyclinganlage zu bauen. Hier sollen aus alten Bodyguardmatratzen Neue werden, nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft.
„Wir setzen das gemeinsam mit einer Schäumerei und GreenChem um, einem Zusammenschluss der chemischen Fakultäten der Technischen Universität, der Freien Universität und der Humboldt-Universität zu Berlin“, erklärt Sebastian Nakoinz. „GreenChem forschen daran, wie wir den Anteil an recycelten Polyolen in den Matratzen erhöhen können. Das Recyclingwerk bauen wir dann in Brandenburg gemeinsam mit der Schäumerei.“ Gelingt das ehrgeizige Vorhaben, wäre Bett1 weniger stark von Rohstofflieferungen abhängig – und könnte ressourcenschonender und umweltfreundlicher produzieren. Kund:innen könnten ihre alten Matratzen an Bett1 zurückgeben, statt sie wegzuwerfen.
„Den Recyclinganteil hoffen wir stetig erhöhen zu können.“
Bis hierhin ist es jedoch noch ein weiter Weg. „Um die Materialeigenschaften zu erhalten, darf man aktuell maximal 20 % recycelte Polyole zuführen“, erklärt Sebastian Nakoinz. Denn chemisch sind recycelte und neu hergestellte Polyole nicht identisch. Ein hoher Recyclinganteil führt aktuell noch zu einer raueren, festeren Oberfläche. Um zu besseren Ergebnissen zu kommen, bedarf es weiterer Forschung. Bett1 unterstützt GreenChem dabei – auch bei Projekten zu Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen. „Den Recyclinganteil hoffen wir dann stetig zu erhöhen. Mein Traum ist es, dass wir unsere Matratze irgendwann zu 70 % aus recycelten Materialien herstellen.“ Einen noch höheren Recycling-Anteil hält Sebastian Nakoinz auch auf längere Sicht für nicht realistisch. Auch Hygiene- und Logistikfragen müssen geklärt werden, um die Matratzen erfolgreich wiederzuverwerten.
Unterstützt von Berlin Partner und der Wirtschaftsförderung Brandenburg, hofft Bett1 in den kommenden Monaten die Förderanträge für das Recyclingwerk stellen zu können. „Wenn alles glatt läuft, werden wir dann voraussichtlich Ende 2025 den Spatenstich in Brandenburg setzen.“ Damit, dass sich das Recyclingwerk auch im betriebswirtschaftlichen Sinne auszahlen wird, rechnet das Unternehmen nicht. „Wenn es nur um den Gewinn ginge, dann wäre es für uns lukrativer, unsere Produktion hier dicht zu machen und ins Ausland zu gehen“, kommentiert Sebastian Nakoinz.
„Aber das machen wir nicht. Es geht ja darum, dass wir auskömmlich, aber nicht auf Kosten der nächsten Generation leben. Wir haben auch eine gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmen. Wir müssen schlicht von dieser Idee wegkommen, dass es von allem immer mehr geben muss.“
Diese Tipps gibt Sebastian Nakoinz Unternehmen, die nachhaltiger werden wollen:
• | Lassen Sie eine CO2-Bilanzierung durchführen und erkennen Sie so Einsparpotenziale in Ihrem Unternehmen. Schon die Veränderung kleiner Prozessschritte kann Ihre Klimabilanz enorm verbessern – und das lohnt sich dann oft auch finanziell. Potenzielle Ansprechpartner:innen für CO2-Bilanzierungen sind Prof. Dr. Matthias Finkbeiner von der TU Berlin und die Koordinierungsstelle für Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und Klimaschutz im Betrieb (KEK). |
• | In Rathäusern gibt es Fachreferate für Ihre Belange: Wenden Sie sich an Akteur:innen aus Verwaltung und Zivilgesellschaft und bleiben Sie in Kontakt. Besuchen Sie Informationsveranstaltungen von Verwaltungen und Berliner Netzwerken wie nawi.berlin und verabreden Sie sich regelmäßig zum Gespräch. Durch gute Kontakte und regionale Vernetzungsangebote erfahren Sie von Fördermöglichkeiten und erhalten Unterstützung, wenn es Probleme zu lösen gibt. |
• | Nehmen Sie Kontakt zu Universitäten und Forschungseinrichtungen auf und bauen Sie Kooperationen auf. Viele Forschende teilen Ihre Ergebnisse gerne mit Ihnen, beraten Sie und können Ihnen helfen, neuste wissenschaftliche Erkenntnisse in Ihr Unternehmen zu integrieren. |