Sauberkeit mit gutem Gewissen

Kindergärten, Bürogebäude und Co.: Der Gebäudeservice Wodara aus dem Osten Berlins säubert Betriebsräume, Oberflächen, Glasfassaden. Neben klassischen Reinigungsarbeiten gehören auch die Pflege von Grünanlagen, Winterdienste und die Instandhaltung technischer Anlagen zum Portfolio des mittelständischen Betriebs. Sein Angebot verbindet das Unternehmen mit einer klaren Werteorientierung: Es möchte soziale Verantwortung für seine rund 180 Mitarbeitenden übernehmen, indem es faire Löhne zahlt und betriebliche Mitbestimmung ermöglicht. Zugleich möchte es nicht nur Fußböden, sondern auch die Umwelt schonend behandeln.
Die größte Herausforderung: Verhaltensänderungen
Um besser zu verstehen, an welchen Stellen im Betrieb Umweltkosten verringert werden können, entschied sich der Gebäudeservice 2021 für eine CO2-Bilanzierung. Hierbei zeigte sich: In vielen Belangen ist die Firma bereits gut aufgestellt – unter anderem auch, weil sie Ökostrom nutzt. Eine bestimmte Herausforderung jedoch bereitet der Geschäftsführung immenses Kopfzerbrechen. „Der große Hebel bei uns ist der Transport: 95 % unseres CO2-Ausstoßes kommen durchs Autofahren zustande“, erläutert Geschäftsführer Philipp Wodara. „Einen Großteil unserer Dienstleistungen können wir ohne Auto aber gar nicht bewerkstelligen. Gleichzeitig lieben viele unserer Mitarbeitenden ihr Kfz sehr und würden es als Strafe empfinden, wenn sie mit der Bahn fahren müssten. Es ist also teilweise auch eine Mindset-Frage.“
Das Team von Gebäudeservice Wodara
Die PKW-Flotte für Abteilungsleitende hat das Unternehmen mittlerweile größtenteils auf E-Antriebe umrüsten können. Zugleich versuchte es, den Autoverzicht zu incentivieren: Wer auf unternehmenseigene Citkars – vierrädrige Lastenräder mit Fahrerkabine – umsattelt, erhält jeden Monat 200 Euro mehr Bruttolohn. „Die Sicherheit ist hoch, das Fahrvergnügen groß, es gibt mehr Geld – da dachte ich, das müsste doch reichen als interne Verkaufsmaßnahme“, erinnert sich Philipp Wodara. „Tatsächlich aber wollte keiner darauf umsteigen.“ Monatelang standen die beiden Citkars so ungenutzt auf dem Betriebshof. Nun endlich gibt es erste Interessenten. „Eines der Citkars wird inzwischen täglich von einem neuen Mitarbeiter genutzt. Mit dem anderen Citkar fährt unser Azubi zur Berufsschule.“
Sanfte Reinigung durch innovative Lösungen
Weitaus erfolgreicher sind andere Umstellungen verlaufen. Unter anderem nutzt die Firma milde Reinigungsmittel und verzichtet nach Möglichkeit auf chemische Reiniger für Böden und Oberflächen. „Stattdessen setzen wir verstärkt auf mechanische Reinigung mit Einscheibenmaschinen: Oben ist ein Gewicht und unten dreht sich eine diamantbeschichtete Scheibe mit einem Reinigungspad“, erklärt Philipp Wodara. „Das holt den Dreck ebenso gut vom Boden wie ein chemisches Mittel.“ Auf einige aggressivere Reiniger jedoch kann das Unternehmen nach wie vor nicht verzichten: „Wasserhähne zum Beispiel behandeln wir regelmäßig mit Entkalker. Die Alternative wäre, verkalkte Hähne gegen neue auszutauschen. Das wäre dann allerdings auch nicht sehr ökologisch.“
Ausgesprochen reibungslos verlief auch der Einbau einer Ozonanlage für die Reinigung von Textilien auf dem Marzahner Betriebsgelände des Unternehmens. In solchen Anlagen werden leistungsstarke Sauerstoffverbindungen erzeugt, die Keime und Schmutz zersetzen. Wäsche wird so auch bei geringen Temperaturen und ohne den Zusatz von Waschpulver sauber. „In unserer Waschküche waschen wir jede Woche rund 8.000 Wischbezüge“, erläutert Philipp Wodara die Hintergründe. „Unsere drei Waschmaschinen, die auf bis zu 90 Grad hochheizen, haben dabei jahrelang je 22 Kilowatt Strom pro Stunde verbraucht – und die sind sechs bis sieben Mal am Tag gelaufen.“
Seit das Unternehmen eine Ozonanlage eingebaut hat, kann es auf Waschpulver verzichten und hat seinen Stromverbrauch deutlich gesenkt. „Die normalen Bezüge waschen wir jetzt bei sieben Grad und nur wenn ein Wischbezug mit starken Verschmutzungen aus einem Autohaus oder einer Werkstatt zurückkommt, erhöhen wir mal auf 30 oder 40 Grad.“ Die Maßnahme rentiert sich finanziell und senkt den Arbeitsaufwand. Dennoch war sie schwer durchzusetzen. „Mitarbeitende meinten, dass die Bezüge damit nicht sauber werden würden. Wir haben dann unseren Lagerverantwortlichen in die Entscheidung einbezogen, denn er muss es am Ende umsetzen“, so Philipp Wodara. Auch er war skeptisch, erklärte sich jedoch bereit, das Verfahren zu testen. Dann gab ihm der Erfolg recht.
Mario Wodara (Gründer und ehemaliger Geschäftsfüher) und Philipp Wodara (Geschäftsführer)
Ökonomie und Ökologie gehen Hand in Hand
„An diesem Beispiel kann man gut sehen, dass Ökonomie und Ökologie zusammengehören“, betont Madlen Sanchiño Martínez. Die Expertin für Gemeinwohl-Ökonomie und Personal- und Organisationsentwicklerin ist seit September 2023 Mitglied der Geschäftsführung. Unter anderem setzt sie sich dafür ein, im Betrieb mit basisdemokratischen Entscheidungsprozessen zu experimentieren. Hintergrund ist, dass der Gebäudeservice Wodara plant, auch seine soziale Ausrichtung in den kommenden Jahren noch zu verstärken – unter anderem mit Hilfe von Maßnahmen aus dem Kontext der Gemeinwohl-Ökonomie.
Bereits seit 2018 misst das Unternehmen, inwiefern es zum Gemeinwohl beiträgt, hat mittlerweile die dritte Gemeinwohlbilanz veröffentlicht. Ziel ist es, Geschäftsprozesse systematisch zu durchleuchten, dadurch Potenziale für Verbesserungen zu erkennen und auszuschöpfen. „Gemeinwohl-Ökonomie kommt dabei nicht irgendwie noch so oben drauf, sondern ist tatsächlich etwas, das zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens beiträgt“, erklärt Madlen Sanchiño Martínez. „Auch die Mitarbeitenden profitieren davon stark – zum Beispiel, indem man Kommunikationswege verbessert, Wünschen in Hinblick auf Arbeitszeit und Gesundheitsmaßnahmen entspricht, neue Beteiligungsformen ausprobiert.“
Unterm Strich stehen nur Vorteile
Eine der größten Herausforderungen für die Unternehmensführung sieht Madlen Sanchiño Martínez darin, für die Mitarbeitenden ein wertschätzendes Arbeitsumfeld zu schaffen – v.a. im Außendienst. „Welchen Stellenwert hat die Reinigungsbranche gesamtgesellschaftlich? Wie gehen wir mit Einstellungen um, die unseren Mitarbeitenden begegnen – von Rassismus bis hin zu anderen Formen von Abwertung?“ Wichtig ist der Organisationsentwicklerin, Mitarbeitende vor Diskriminierung zu schützen und Vielfalt im Unternehmen aktiv zu gestalten, damit sich jede:r willkommen fühlt. „Seit September arbeiten wir zum Beispiel mit zwei Azubis aus Mali. Einige Mitarbeitende hatten zunächst Vorbehalte. Nun sind die beiden zwei unserer besten Azubis im ersten Lehrjahr. Ich finde, auch das ist unsere Aufgabe: Reibungsfläche für gesellschaftliche und zwischenmenschliche Themen zu sein und Menschen die Möglichkeit zu geben, über ihre Vorurteile hinauszuwachsen – intern wie extern.“
Philipp Wodara (Geschäftsführer) und Madlen Sanchiño Martínez (Mitglied der Geschäftsleitung)
Welche Vor- und Nachteile sind für den Wodara Gebäudeservice mit nachhaltigem Wirtschaften verbunden? „Durch die GWÖ-Bilanzierung erfüllen wir bereits heute die Kriterien des europäischen Lieferkettengesetzes. Unter anderem bei Ausschreibungen ist das ein klarer Wettbewerbsvorteil“, sagt Madlen Sanchiño Martínez. „Zugleich schaffen wir durch unsere soziale Ausrichtung eine höhere Zugehörigkeit und Mitarbeitendenbindung: Die Menschen bleiben viele Jahre, ein Großteil kommt auf Empfehlung zu uns, ganze Familien sind bei uns angestellt.“ Die Orientierung am Gemeinwohl führe somit dazu, dass das Unternehmen vom Fachkräftemangel bislang wenig bemerke. Philipp Wodara ergänzt: „Wenn man seit den 70er Jahren den Club of Rome liest und verfolgt, dann stellt sich eigentlich auch nicht die Frage nach einer besonderen Motivation: Gemeinwohlorientiert zu arbeiten ist wirtschaftlich sinnvoll und auch einfach eine Notwendigkeit.“
Diese Tipps geben Philipp Wodara und Madlen Sanchiño Martínez Unternehmer:innen, die nachhaltiger wirtschaften möchten:
- Das Wichtigste: Verschaffen Sie sich einen Überblick über die relevanten Themen. Das geht mit Leitfäden und Checklisten, aber auch z.B. mit einer Einstiegsberatung bei nawi.berlin. Dann ist man weniger allein und der Berg, vor dem man steht, wird kleiner.
- Legen Sie los: Man kann sich online kostenlos das Arbeitsbuch der Gemeinwohl-Ökonomie herunterladen – zum Beispiel hier. Unser Tipp ist, sich hier einen Aspekt herauszusuchen, von dem man denkt, man ist da schon richtig gut und zwei Punkte, wo man denkt, da ist man noch nicht so gut aufgestellt. Die konkreten Zahlen kann man erstmal ignorieren. Es reicht, einfach nur die Fragen durchzugehen und sie aus dem Bauch heraus zu beantworten. Wenn man dann ein, zwei kleine Maßnahmen entdeckt hat, bei denen man sagt „Oh, die sind ja gar nicht teuer und das bekommen auch viele mit, wenn ich das mache“, dann hat man direkt Rückenwind, ein positives Gefühl – und schon hat man losgelegt.
- Erfinden Sie das Rad nicht neu: Besser ist es, sich Netzwerken anzuschließen. Wir sind zum Beispiel Mitglied im GWU-Unternehmensnetzwerk Berlin-Brandenburg. Die Mitglieder solcher Netzwerke sind bereit, ihre Entscheidungen und Maßnahmen offen zu legen und zu diskutieren, teilen ihre Best Practices gerne mit anderen Unternehmer:innen. Als konventionelles Unternehmen, das sich auf den Weg machen möchte, würden wir da als allererstes vorbeischauen.
- Reden Sie mit Ihren Mitarbeitenden: Etwas verändern zu wollen kann im Unternehmen auf Widerstände stoßen. Hier ist es wichtig mit den Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen – insbesondere mit Bedenkenträger:innen und Angestellten, auf deren Urteil Mitarbeitende besonders stark vertrauen. Es ist zehnmal mehr wert, wenn sich solche Menschen am Ende für eine Maßnahme aussprechen, als wenn es nur die Geschäftsführung ist, die etwas voranbringen will.